Farben aus der Natur
Mit heimischen Pflanzen färben kann jeder. Man nehme Blüten, Blätter und Stängel von Pflanzen, einen flachen Stein, ein Stück weißen Baumwollstoff und einen Weinkorken – außerdem Kreativität, Sammel- und Experimentierfreude. Die frühere Apothekerin Brigitte Fuhr, die heute als Künstlerin und Musikerin arbeitet, hat vor einigen Jahren damit begonnen, sich mit Farben zu beschäftigen. Das Material für ihre Farbspielereien findet sie auf jedem Spaziergang in der Natur.
Mit Pflanzensaft färben
Immergrün zum Beispiel. Violette Blüten hat diese Pflanze, die sich an den Böschungen der Weinberge rund um Ihringen am Kaiserstuhl findet. Brigitte Fuhr legt eine der fünfblättrigen Blüten auf den flachen Stein, umhüllt den Korken mit dem Stoff und verreibt die Blüten mit dem Korken. Der violette Pflanzensaft der Blüte färbt einen kräftig violetten Farbtupfer auf den Stoff. „So einfach ist das. Das können wir mit allen Blüten und natürlich auch mit Blättern machen“, sagt Brigitte Fuhr und bückt sich nach den sattgelben Löwenzahnblüten am Wegrand. Die festen Blüten zerreibt sie direkt auf dem Stoff. Sie hinterlassen einen kräftigen gelben Fleck. Nicht jedes Gelb bleibt so kräftig erhalten, manches oxidiert an der Luft zu einem bräunlichen Gelbton. Auch das Rot der Lippenblüten der Roten Taubnessel, die sich in Massen in den Weinbergen findet, verfärbt sich an der Luft rasch ins Rotbraune. Das Rot der Mohnblüten hingegen bleibt farbstabil.
Zauberkarten für die Kinder
„Mit den Löwenzahnblüten können wir auch Papierkarten färben, einfach indem wir die Blüten fest auf den dünnen Karton reiben, das geht auch mit den Löwenzahnblättern, die ein kräftiges Grün ergeben“, sagt Brigitte Fuhr, holt eine Karte aus ihrem Rucksack und führt es gleich vor. Bei einer Veranstaltung für Familien, die Brigitte Fuhr im Auftrag des Naturzentrums Kaiserstuhl hält, hat sie Zauberkarten vorbereitet, auf die die Kinder den Pflanzensaft von Löwenzahnblüten direkt aufreiben. Wie durch Zauberhand erscheinen in hellerem Gelb Worte auf der Karte. Wie das geht? Brigitte Fuhr hat die Karten zuhause präpariert und mit einer weißen Wachskreide, Worte aufgetragen. Nach diesem Prinzip gestaltet die Farbkünstlerin Karten mit Mustern und Ornamenten.
„Mit Säuren und Laugen können wir die Farben verändern, probiert es einfach einmal aus. Am besten geht das mit blauen Blüten“, erklärt die 51-Jährige. Also heißt es zunächst blaue Blüten sammeln. Da bieten sich die kleinen Ehrenpreisblüten an, die die Böden zwischen den Rebzeilen hellblau färben.
Ein bisschen mühsam ist das, weil die Blüten so klein sind, doch Kinder und Erwachsene sind mit Feuereifer dabei. Zwischen Stein und Korken zerreiben sie die Blüten auf den Stoff – und werden mit einem zarten hellblauen Farbton belohnt. Nun geht es ans Experimentieren: In einem kleinen Schraubglas hat Brigitte Fuhr Haushalts-Essigsäure mitgebracht. Mit einem Pinsel tupft sie ein bisschen Essigsäure auf das Ehrenpreis-Blau. Tatsächlich, aus blau wird rot, faszinierend! „Geht das auch mit Zitronensaft?“, will eine der Teilnehmerinnen wissen. Geht auch, lautet die Antwort. Das Braunrot der Taubnesselfarbe verwandelt sich durch die Säure wieder in ein kräftiges Rot. In einem zweiten Glas hat Brigitte Fuhr Holzaschenlauge mitgebracht, die sie selbst hergestellt hat. Ganz einfach geht das: etwa 50 Gramm Buchenholzasche in ein Säckchen oder einen Teefilter geben, über Nacht in 200 Milliliter Wasser geben, fertig ist die Lauge. Jetzt wird es spannend, Brigitte Fuhr trägt ein wenig Lauge auf den blauen Fleck auf. Aus Blau wir ein helles Türkis. „Ich möchte Euch Lust machen, auszuprobieren, weiter zu denken und kreativ zu werden“, sagt Brigitte Fuhr. Sie selbst hat die Farben erst relativ spät entdeckt, nämlich als sie anfing zu malen. Als Apothekerin galt ihr Hauptinteresse bei den Pflanzen zunächst der Kräuterheilkunde. Über die Auseinandersetzung mit traditionellen Färbepflanzen wie dem gelb blühenden Färberwaid, der am Kaiserstuhl wächst, und nach verschiedenen Behandlungen blau färbt, begann sie sich mit den färbenden Pflanzensäften zu beschäftigen.
Temperafarben aus Pflanzensaft selbst herstellen
Wer Pflanzenfarbsäfte konservieren möchte hat mehrere Möglichkeiten, Brigitte Fuhr hat sie alle ausprobiert. „Um das schöne Löwenzahngelb als Farbe zu erhalten , einfach die gelben Blüten mit Wasser aufkochen, etwas Salz hinzufügen und dann das Wasser verkochen lassen, bis ein Dicksaft übrigbleibt“, erklärt Brigitte Fuhr. Diesen Dicksaft kann man abfüllen, später wieder mit Wasser verdünnen und dann damit malen. Deckfarbe entsteht durch Vermischen des Dicksaftes mit Kreide oder mit Stärkekleister aus Haushaltsstärke. „Alles, was in der Küche die Soßen bindet, bindet auch die Farben. Die Farbe haftet dann auf Untergrund. Wir können auch Tempera-Farbe selbst herstellen“, erläutert die Expertin, „ wir mischen einen Teil Pflanzensaft mit einem Teil Leinöl und einem ganzen Ei. Diese Farbe trocknet relativ schnell. In mehreren Schichten aufgetragen, gibt das eine tolle Tiefenwirkung.“ Natürlich lassen sich alle Maltechniken auch mit Pflanzenfarben anwenden. Aquarelleffekte entstehen beispielsweise dadurch, dass das Papier vor dem Malen gewässert wird.
"Wer die Farbe hat, hat die Macht"
Je länger sie sich mit Färbepflanzen und Naturfarben beschäftigt habe, desto spannender sei das Thema für sie geworden, meint Brigitte Fuhr. Schon die Steinzeitmenschen nutzten Erdfarben wie Ocker und Pflanzenfarben, um ihre Körper und die Höhlen, in denen sie lebten, zu bemalen. Die alten Griechen und die Römer färbten bereits Stoffe mit Pflanzenfarben. „Früher hieß es, wer die Farbe hat, hat die Macht“, erzählt sie und erinnert daran, dass die Farbe Purpur dem Kaiser vorbehalten gewesen sei. Noch heute ist Purpur die Farbe der katholischen Kardinäle. Purpur wurde in einem komplizierten Verfahren aus der Purpurschnecke gewonnen. Die Farbe Rot hingegen war die Farbe der Könige, des hohen Adels und des hohen Klerus. Sie wurde aus der Wurzel des Färberkrapps oder aus Cochenille-Schildläusen in einem sehr aufwändigen Verfahren hergestellt. Viele Sprichwörter und Redewendungen erinnern an die einstige Bedeutung der Färberei. Man denke nur an die Schönfärberei, das Schwarzmalen, oder gar das Blaumachen, einem Begriff aus der Praxis der Waidfärber.